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(C) Sächsische Zeitung, Ausgabe Görlitz 25. April 2015, Seite 1 www.sz-online.de
Görlitzer rettet Camping-Manufaktur
Görlitz. Der Görlitzer Michael Franke hat die traditionsreiche Sattlerei Claus Petzelt an der Theodor-Körner-Straße gekauft. Hier werden unter anderem Zelte für den aus DDR-Zeiten bekannten Anhänger Camptourist originalgetreu nachgebaut. Aufträge dazu kommen bis aus dem Westen der Republik.
Die Sattlerei Petzelt sollte nach ihrem 35. Betriebsjubiläum im vergangenen Jahr geschlossen werden. Michael Franke, der damals dort beschäftigt war, entschied sich zum Erwerb des Unternehmens. Heute beschäftigen sich die Mitarbeiter nicht nur mit dem Nachbau von DDR-Zelten, sondern fertigen Markisen für Görlitzer Wohnungsgesellschaften an und kümmern sich darum, dass Sonnenschirme vor Görlitzer Altstadtkneipen den Gästen Schatten spenden. (SZ/mk)
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(C) Sächsische Zeitung, Ausgabe Görlitz 25. April 2015, Seite 17 www.sz-online.de
Retter der DDR-Zelte
Michael Franke baut Zelte für den Wohnanhänger Camptourist, Qek und Dübener Ei originalgetreu nach. Natürlich nicht nur das.
Von Matthias Klaus
Michael Franke hat gerade wieder einen neuen Auftrag auf seinem Schreibtisch liegen. Ein Vorzelt soll es sein, schreibt der Interessent, ein Vorzelt für den Wohnzeltanhänger Camptourist Ct 6-1, eigentlich ein originales Ostprodukt aus dem VEB Fahrzeugwerk Olbernhau. Allerdings: Der Auftraggeber kommt aus dem Westen. „Kein Einzelfall“, sagt Michael Franke. Der Camptourist ist inzwischen zu einem begehrten Sammlerstück geworden. „Und gerade aus der CT-Reihe gab und gibt es noch unheimlich viele Varianten“, schildert er. Wie die in den Westen gekommen sind? Michael Franke zuckt die Schultern. „Wer weiß?“ Der Chef der Sattlerei Planen & Camping an der Theodor-Körner-Straße in Görlitz lächelt. Noch 5 000 bis 10 000 der Anhänger existieren heute noch, so sagen es Schätzungen, ob Campfix, Klappfix oder eben Camptourist.
Seit November 2014 ist Michael Franke der neue Eigentümer und Chef der traditionsreichen Sattlerei an der Theodor-Körner-Straße in Görlitz. Sein Vorgänger Claus Petzelt hatte sich 1979 mit dem Unternehmen selbstständig gemacht, sich einen guten Ruf unter Campingfreunden – nicht nur bei diesen – in der DDR erworben. Im vergangenen Jahr war dann allerdings Schluss. Nach dem 35. Betriebsjubiläum gab Claus Petzelt den Laden auf. Das war die Stunde Michael Frankes. Der kam eher durch Zufall zur Sattlerei. Nach einer längeren Krankheit hatte er aushilfsweise bei Petzelt gearbeitet. Als der damalige Chef dann das Aus verkündete, überlegte Michael Franke nicht lange. Er kaufte das Unternehmen. Das klingt einfach. „War es aber überhaupt nicht“, sagt der Firmenchef heute. Es sei der berühmte Sprung ins kalte Wasser gewesen. „Zum Glück hatte ich gute Freunde, die mir in der Anfangszeit halfen“, sagt Michael Franke. Stunden, Tage habe er beispielsweise über der Buchhaltung gebrütet, schlaflose Nächte gehabt. „Ich habe die Firma auch noch im November gekauft, einer schlechten Zeit für Campingartikel“, sagt Michael Franke. Wer lässt schließlich im Winter sein Zelt reparieren? Inzwischen kommen die Aufträge häufiger. „Wer jetzt los will zum Camping und merkt, hier ist ein Loch im Zelt, der kommt her“, so der Firmenchef. Es sei die einzige Sattlerei in der Region, sagt Michael Franke, die sich noch auf das Campinggeschäft mehr oder weniger spezialisiert habe – ob für Artikel aus DDR-Zeiten oder neuere. Der Auftraggeber für den Camptourist-Neuaufbau wird den Anhänger in nächster Zeit nach Görlitz bringen. Denn genaue Schnittmuster für das Vorzelt sind eher Mangelware. „Wir messen alles genau vor Ort aus“, sagt Michael Franke. Gerade mit dem Gestänge sei das zuweilen eine knifflige Angelegenheit. Statt dickem DDR-Baumwollstoff, wird das Vorzelt demnächst mit modernem atmungsaktivem, wasser- und winddichtem Gewebe ausgestattet. Wer den DDR-Look bevorzugt: Michael Franke hat viele Kataloge mit Musterfarben in seinem Büro. Zwischen 1 600 und 1 700 Euro wird der Camptourist-Freund für das Zelt bezahlen müssen. Allein von der DDR-Nostalgie kann das Unternehmen natürlich nicht leben. „Wir machen alles, was mit Wind-, Wasser- und Sonnenschutz zusammenhängt“, sagt Michael Franke. Zum Beispiel auch die Markisen für Görlitzer Bürgerhäuser in den Farben Gelb und Weiß. Damit könnte es demnächst allerdings ein Problem geben. Noch hat Michael Franke einen Vorrat des Stoffes in seinem Lager. „Der Hersteller hat angekündigt, die Produktion einzustellen“, sagt er. Kommt dann vielleicht das Oberlausitzer Blau-Gelb über Görlitzer Balkons? „Mal sehen“, schmunzelt Michael Franke. Ob Sonnenschirme für Görlitzer Kneipen, die Bedachung der Hollywoodschaukel im Garten und Bootsabdeckungen – Franke macht es.
Er selbst ist gebürtiger Görlitzer, wuchs hier auf, ging hier zur Schule. Die Werkstatt, die er von Claus Petzelt erwarb, ist unverändert, ebenso die Technik. Fast. Thermo-Schweißen ist neben den Nähmaschinen von 1968 eine eher neuere Errungenschaft. Die beiden Mitarbeiter konnten ihren Job dank des Kaufes behalten. „Ich bin froh, dass diese Görlitzer Manufaktur weiter existiert“, sagt Michael Franke. Aufträge bekommt er wieder bundesweit.